Veranstaltung: | Kreismitgliederversammlung 19.11.2022 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 4 Anträge |
Antragsteller*in: | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ORTSVERBAND KÖLN-KALK (dort beschlossen am: 21.08.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.11.2022, 19:58 |
A1: Verantwortlich und umweltgerecht handeln und umlenken: Naturerfahrungsraum statt Hochhäuser! Grüne Lunge für Kalk statt noch mehr Beton.
Antragstext
Dieser Antrag wir unterstützt von:
Grüne Jugend
AK Soziales
AK engagierte Stadt
Vorstand OV Porz
Vorstand OV Mülheim
Antragsteller*innen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ORTSVERBAND KÖLN-KALK
Die Kreismitgliederversammlung möge beschließen:
- Bündnis 90/Die Grünen Köln unterstützt das Vorhaben, auf der Fläche
zwischen Neuerburgstraße, Halle 71 und der Dillenburgerstraße im Stadtteil
Kalk einen Naturerfahrungsraum (NER) einzurichten.
- Bündnis 90/Die Grünen Köln unterstützt die Forderung auf eine Bebauung der
genannten Fläche zu verzichten.
Begründung
Antragsbegründung
Ein NER ist eine Grünfläche, auf der Bäume und Pflanzen wild wachsen. Sie ist den ganzen Tag offen und kostenlos für alle. Kinder können hier klettern, toben, spielen. Jugendliche und Erwachsene können sich hier treffen, picknicken, sich in der Natur erholen.
Eine geeignete Fläche gibt es im Stadtteil Kalk nur noch auf diesem Areal.
Warum braucht Kalk einen NER?
Der Stadtbezirk Kalk besteht aus 9 Stadtteilen: Kalk, Höhenberg, Humboldt-Gremberg, Merheim, Ostheim, Vingst, Brück, Neubrück, Rath-Heumar.
Laut Lebenslagenbericht der Stadt Köln aus dem Jahr 2020 gibt es von den 86 Veedeln in Köln 16 Veedel, die durch „erhöhte Problemlagen“ ausgezeichnet sind. 6 davon liegen im Stadtbezirk Kalk: Stadtteil Kalk, Höhenberg, Neubrück, Ostheim, Humboldt- Gremberg, Vingst. Das sind knapp 40% aller 16 Kölner Viertel mit „erhöhten Problemlagen“. Auf den Stadtbezirk Kalk bezogen sind zwei Drittel (!) des Stadtbezirks betroffen. "Erhöhte Problemlagen" bedeutet Merfachbelastungen in den Bereichen Recht, Gesundheit, Bildung, Erwerbsarbeit, materieller Lebensstandard, soziale Einbindung, Umwelt, gesellschaftliche und politische Einbindung.
Auf Kinder bezogen:
Im Stadtteil Kalk gibt es eine sehr hohe Geburtenrate, 12,1 pro 1000 Einwohner*innen, stadtweit 10,1 pro 1000 Einwohner*innen.
Es gibt einen stark überdurchschnittlichen Anteil von Kindern mit Übergewicht, 18% in Kalk - stadtweit 11 %.
43% der Kinder leben in Bedarfsgemeinschaften (SGBII) - stadtweit 21%.
Die Betreuungsquote von U3 Plätzen ist unterdurchschnittlich. Kalk 30-39%, stadtweit 40-49%. Nur 51% der Kinder haben einen OGS-Platz - stadtweit:79%.
Schulformempfehlung Hauptschule in Kalk: 18,3% - stadtweit: 9%. Förderschüler*innen und Hauptschule in Kalk 22,5% - stadtweit: 12,6 %.
Der Lebenslagenbericht der Stadt Köln enthält daher für Kalk die Schlussforderung: „Es sollten Angebote für eine gesunde Freizeitgestaltung der Kinder geschaffen werden.“
(Quelle: Stadt Köln Lebenslagenbericht, statistisches Jahrbuch)
Unsere Gründe im Einzelnen
Es gibt ein extremes Grünflächendefizit im Stadtteil Kalk
Im Vergleich zu anderen Stadtteilen Kölns bietet der Stadtteil Kalk seinen Einwohner*innen den geringsten Freiraumanteil bezogen auf die Bevölkerung.
2019 waren es 8,7qm pro Einwohner*in Grünflächen inklusive Sportanlagen. Im Gegensatz dazu ist der stadtweite Durchschnitt 45 qm. 2017 waren es laut dem Werkstattverfahren sogar nur 5qm Grün- und Freiflächenanteil pro Einwohner*in. Inzwischen sind jedoch weitere Flächen bebaut worden. Damit kann man davon ausgehen, dass sich der Anteil weiterhin verringert hat.
Es gibt ein extremes Spielflächendefizit im Stadtteil Kalk
Die Spielplatzbedarfsanalyse im Vergleich zu allen Vierteln in Köln zeigt im Stadtteil Kalk den höchsten Fehlbedarf. Lediglich 43% des festgestellten Bedarfs können zurzeit im Stadtteil gedeckt werden.
(Quelle: Aufgabenstellung zum Werkstattverfahren Hallen Kalk der Stadt Köln)
Kalk ist ein klimatisch sehr heißer Stadtteil
Die Hitzebelastung ist überdurchschnittlich: heiße Tage 79,5% in Kalk - stadtweit 43,3%. (Quelle: LANUV Klimadatenbericht Köln 2013)
Kalk ist ein sehr verdichteter Stadtteil
Einwohner*innendichte E / qkm 8323 - stadtweiter Durchschnitt 4390 E / qkm.
Kalk besteht zu 92,2% aus versiegelter Fläche (56,2% bebaute Flächen, 36% Verkehrsflächen) - stadtweite Versiegelung: 48,8%, (bestehend aus: 32,4 % bebaute Flächen, 16,4 % Verkehrsflächen).
Pädagogischer Aspekt
Kinder brauchen wohnortnahe Grünflächen. Bewegung und freies Spiel in der Natur unterstützt die motorische, soziale und kognitive Entwicklung. Die Risikokompetenz wird verbessert und Stress wird abgebaut. Die Daten zu den Kalker Pänz machen deutlich: Es fehlt im Stadtteil Kalk die Möglichkeit, Natur zu erfahren und sich darin zu erholen.
Sozialer Aspekt
Wir brauchen in Kalk „Dritte Orte“. Der Begriff umschreibt in der Soziologie Orte der Gemeinschaft, die einen Ausgleich zu Beruf und Familie bieten sollen.
Dritte Orte befinden sich auf neutralem Boden, jede*r kann kommen und gehen, wie es beliebt. Der Ort ist einfach zu erreichen und steht grundsätzlich allen Bevölkerungsschichten offen, soziale Unterschiede werden abgeschwächt. Konversation ist erwünscht. Es können sich
„Stammgäste“ bilden.
Wichtig: Optik steht nicht über Funktion (low profile). Es herrscht entspannte spielerische Stimmung.
Aspekt der Umweltgerechtigkeit
Der Stadtteil Kalk weist im Vergleich der Kölner Veedel eine große Benachteiligung mit öffentlichen Grün- und Freiflächen auf. Anderseits hat die Stadt Köln Grundstücke und Flächen
u.a. zur Fortsetzung des Grüngürtels für 70 Millionen in der Südstadt nähe Bayenthal, sog. Domgärten, gekauft. Pro Hektar sind das 8 Millionen. Im Stadtteil Kalk wiederum geht es um einen Hektar für den NER auf einem Grundstück, für dessen Erwerb die Stadt keinen Cent bezahlen muss, da das Grundstück der Stadt bereits gehört.
Ereignisablauf
Die Stadt Köln hat im Hinblick auf die städteplanerische Entwicklung der Hallen Kalk die Bürger*innen im sogenannten „Werkstattverfahren“ beteiligt. Dies war ein ehrenwertes Anliegen. Die Werkstattverfahren fanden 2017 und 2019 statt.
Der erste städteplanerische Entwurf sah eine nahezu vollständige Bebauung vor. Massive Einwände der Bürger*innenschaft konnten den Entwurf im Verlauf des Werkstattverfahrens abmildern. Aufgrund starken Widerstands konnte der Erhalt der Pflanzstelle gesichert werden. Der Dirt Track an den Hallen Kalk – ein Ort speziell für Kinder und Jugendliche im Freien – musste trotz starker Proteste dagegen den Stadtteil Kalk verlassen.
Auf Basis des Ergebnisses der Werkstattgespräche beauftragte der Rat der Stadt Köln im November 2019 die Verwaltung, einen Bebauungsplan für die Brache zu erstellen. Derzeit wird dieser Bebauungsplan erarbeitet.
Im Jahr 2020 kam der Lebenslagenbericht und spätestens seit diesem Zeitpunkt müsste eigentlich allen klar sein, dass sich im Stadtteil Kalk etwas ändern muss. Einfach weitermachen wie bisher wäre falsch.
Gegenargumente und unsere Antworten
„Warum ausgerechnet dort?“
Die ehemalige Industriebrache an der Neuerburgstraße ist schlicht die allerletzte Möglichkeit, das bestehende Defizit an Grün- und Freiflächen im Stadtteil Kalk abzumildern. Es gibt keine weiteren unbebauten und ungenutzten Flächen mehr im Stadtteil Kalk, daher könnte ein Masterplan Grün diese auch nicht mehr erschließen. Das Areal liegt in unmittelbarer Umgebung zur Wohnbebauung, Schulen und Kindergärten. Es ist für Kinder daher leicht erreichbar.
„Ihr seht nicht die gravierende Wohnungsnot in Köln!“
Die Wohnungsnot in Köln ist ernst. In Kalk sind in den letzten 10 Jahren enorm viele Wohnungen gebaut worden. Kalk hat seinen Teil dazu beigetragen:
Nach und nach sind nahezu sämtliche ehemalige Industrie- und Gewerbeflächen des Stadtteils Kalk mit Wohnbebauung überbaut worden.
- Vor gut 10 Jahren entstanden auf dem ehemaligen CFK-Gelände Wohnungen für 2000 Kölner*innen; es folgten weitere hunderte Wohnungen an der Thessaloniki-Allee.
o 2018/19:
- Barcelona-Allee: 159 Wohnungen an der Barcelona-Allee am Bürgerpark (GAG)
- Kalker Hauptstraße: 106 Wohnungen im ehem. Kaufhof
o 2020/21:
- Robertstraße, ehem. Huwald-Hammacher Metallhandel: 243 Wohnungen (GAG)
- Kalker Hauptstraße, ehem. Malteser Gelände: 251 Wohnungen +
Studierendenappartements
- Steinmetzstraße: Weitere Nachverdichtung zulasten bisheriger Grünflächen in der Steinmetzstraße, circa 30 neue Wohnungen
- Aktuell:
- Beschluss des Bebauungsplans für Wippermannstraße (das ehemalige Gelände des Tierfutterhandels an der Kalker Hauptstraße, Bauherr Bauwens)
- Kasernenstraße, Irishöfe (hinter Lidl am Güterbahnhof): 13.740 m² Bruttogrundfläche = bebaute Fläche
- Bertramstraße/Manteuffelstraße: hier wurde Außengelände der dortigen Caritas-Kita verkleinert, um weitere (Sozial-)Wohnungen zu bauen.
- Zukunft: weitere Verdichtung in Kalk Nord durch GAG-Modernisierungs-Projekt
Der Stadtteil Kalk ist kein Industrie-Stadtteil mehr, sondern hauptsächlich ein Wohnviertel. Die für ein Wohnviertel notwendige Infrastruktur ist nicht ausreichend mitgewachsen.
Zudem hat der Stadtteil Kalk viele Flächen für weitere Projekte mit gesamtstädtischer Bedeutung zur Verfügung gestellt, wie die Verwaltung der Stadt Köln, Feuerwehr, Polizeipräsidium, Bauhaus, Köln-Arcaden. Dies sind viele verkehrsintensive Vorhaben mit Flächeneinbußen für Stadtgrün oder Bildungsstandorte.
„Ein NER beschleunigt doch nur die Gentrifizierung. Das ist das Gegenteil einer sozialen Maßnahme für den Stadtteil Kalk…“
Es ist ein merkwürdiger Gedanke, dass die Stadtplanung bestimmte Stadtteile ungesund belassen und notwendige Infrastruktur vorenthalten soll, damit es weiter Orte gibt, in die arme Menschen „abgeladen“ werden können!? Gentrifizierung muss durch andere Maßnahmen bekämpft werden: konsequente Steuerung des Wohnungsbaus – keine Luxuswohnungen, vergleichbare Nachverdichtungsziele für alle Kölner Veedel – und durch Maßnahmen auf Landes- und Bundesebene (Dämpfung der Grundstücks- und Häuserpreisentwicklung, …).
Schlussplädoyer
Wir haben am Werkstattverfahren teilgenommen.
Wir haben uns eingebracht.
Wir haben mit grünen Stadträt*innen aus dem Stadtentwicklungsausschuss gesprochen.
Wir haben eine Ortsbegehung organisiert.
Wir haben am thematischen MIK teilgenommen.
…Aber es hat bislang alles nichts genutzt….
Wir haben mit vielen Menschen gesprochen.
Viele haben bis jetzt gesagt: Das ist eine super Idee, aber das geht nicht.
Bitte seid ihr diejenigen, die das nicht sagen und macht es einfach:
STIMMT UNSEREM ANTRAG ZU!
Denn es geht um Verantwortung in Zeiten der Klimakrise, um die Notwendigkeit, in großem Maße umzulenken und darum Worten Taten folgenzulassen.
Änderungsanträge
- Globalalternative: A1-001 (Lino Hammer (KV Köln), Eingereicht)